Suche
Close this search box.

Biographie Adolphe Arnold Kapitel 1 (1897-1914): Von Armut verfolgt

Die Familie Arnold lebte im Thurtal am Rande der Vogesen. Als Adolphe 1897 auf die Welt kam, verdiente sein Vater Martin als Fabrikarbeiter kaum genug, um seine drei Kinder durchzubringen. Bittere Armut hatte die Familie dazu gezwungen, den ländlichen Hof zu verlassen und ins Dorf zu ziehen. Auch wollte Martin der Tuberkulose entkommen, der fast alle seine Geschwister zum Opfer gefallen waren.  Er war um die Gesundheit seiner Kinder ängstlich besorgt, vor allem bangte er um Adolphe, der als Kind häufig kränkelte und sehr an seinen Eltern hing.

Eines Tages erhielt Adolphes Mutter, Odile, die Nachricht, dass Martin in der Fabrik tot umgefallen war.

Familie Arnold. Von links nach rechts: Paul Arnold (Adolphes Onkel und Adoptivvater); Pauls Mutter; Adolphes Schwester; Odile (Adolphes Mutter).
Familie Arnold. Von links nach rechts: Paul Arnold (Adolphes Onkel und Adoptivvater); Pauls Mutter; Adolphes Schwester; Odile (Adolphes Mutter).

Er hatte sich mit seinem Vorgesetzten überworfen, weil ein anderer Fabrikarbeiter, Vater von sechs kleinen Kindern, entlassen worden war. Adolphes Vater konnte dies nicht einfach hinnehmen und kämpfte mutig für die Rechte seines Kollegen, doch die seelische Anstrengung hatte ihn sein Leben gekostet.

Dieses traumatische Ereignis in der Familie, sollte den Jugendlichen Adolphe nachhaltig prägen. Es blieb der Mutter nichts anderes übrig, als in derselben Fabrik zu arbeiten, in der ihr Mann gestorben war. Martin Arnolds einziger überlebender Bruder Paul, der auf Grund der verheerenden Folgen der Knochenkrankheit Rachitis nicht arbeitsfähig war, kam, um für die drei Kinder zu sorgen. Doch um in das Haus seines verstorbenen Bruders auf dem Dorf Krüth einziehen zu können, mussten er und die verwitwete Odile heiraten. So kam es, dass Adolphes Onkel sein Stiefvater wurde.

Adolphes Mutter mühte sich in der Fabrik von frühmorgens bis tief in die Nacht ab, ohne mehr als nur einen Hungerlohn und bitteren Groll Heim zu bringen. Als die Arbeiter erstmalig streikten, schloss Odile sich ihnen an und marschierte in einem Protestmarsch gegen die entwürdigenden Arbeitsbedingungen auf dem Fabrikgelände mit. Gegen Ende der Woche ging sie wie gewohnt zur Beichte.  Der Priester fragte: “Ist das alles? Was ist mit dem Streik? Hast du mitgemacht?” Überrascht gab sie ein “Ja” zur Antwort. Das Türchen zum Beichtstuhl wurde aufgestoßen und sie bekam eine Ohrfeige. Dann kam die Drohung des Priesters: “Das ist für dieses Mal. Nächstes Mal verlierst du deine Arbeit“. Tief enttäuscht und mit roter Wange kam sie wieder nach Hause und erzählte die Geschichte. Die Arnolds kämpften weiter gegen die Armut an bis in den Frühling und ernährten sich von getrockneten Äpfeln und Birnen, die mit Milch und Kartoffeln als Fleischersatz auf den Tisch kamen.

Adolphe, der nur noch aus Haut und Knochen bestand, hatte keine Kraft für eine Arbeit auf dem Feld oder in der Fabrik.  Doch der Junge erwies sich als künstlerisch begabt. Sein invalider Stiefvater beschloss, dass die Familie dafür Opfer bringen sollte, um Adolphe auf die Kunstschule nach Mülhausen schicken zu können. Jeden Morgen verließ der vierzehnjährige Junge sein Zuhause und nahm als Proviant ein Stück Brot und einen Bissen Käse mit. Ob durch tiefen Schnee oder im strömenden Regen bewältigte er zu Fuß die 10 km lange Strecke bis zum 7 Uhr Zug.

Ölgemälde, 1913 von Adolphe Arnold im Alter von 15 Jahren als Schüler der Kunstgewerbeschule Mülhausen gemalt
Ölgemälde, 1913 von Adolphe Arnold im Alter von 15 Jahren als Schüler der Kunstgewerbeschule Mülhausen gemalt

Adolphe war entschlossen, sich seiner Familie dankbar zu erweisen. Er gab sich alle Mühe und bekam für seine Leistungen gute Noten. Am Ende seines zweiten Ausbildungsjahres wurde eines seiner Ölgemälde, 100 x 60 cm, bei einer Schulausstellung vorgestellt. An jenem Tag kam der Betriebsleiter der Stoffdruckerei, um sich nach Nachwuchstalenten umzusehen. Der 16jährige Adolphe bekam den ersten Preis. Es gab großen Applaus, als der Direktor ihm die Goldmedaille in einer schwarzen Schachtel überreichte. Adolphe drückte die Schachtel fest an sich und begab sich auf seinen Platz. Sein stolzer Stiefvater wollte einen Blick darauf werfen und stellte fest, dass die Goldmedaille sich in Silber verwandelt hatte! Im Glauben, dass vielleicht versehentlich die Schachteln vertauscht worden waren, suchte Paul mit seinem Stiefsohn den Direktor auf. Ohne jegliches Bedauern, sagte der Direktor: “Die Goldmedaille habe ich dem Sohn von Herrn Soundso, einem angesehenen Mann im Ort, gegeben“. Er sah auf die Arnolds herab und fügte hinzu: „Wer seid ihr überhaupt? Was bedeutet euer Name schon? Wenn euch die Silbermedaille nicht gut genug ist, könnt ihr sie für jemand anderen hier lassen.“

In jenem Sommer des Jahres 1914 fand Adolphe Arbeit in der künstlerischen Abteilung der Firma Gros-Roman et Marozeau in Wesserling im Elsass. Diese Anstellung sollte nicht von langer Dauer sein.