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Wurden die verschiedenen Gefangenengruppen unterschiedlich behandelt?

Foto von Max Liebster
Foto von Max Liebster

Mein erstes Lager war Sachsenhausen. Ich kam dort im Januar 1940 an. Die meisten Gefangenen waren Deutsche. Sie mussten hart arbeiten, bekamen Sonderrationen an Essen und schliefen in Etagenbetten. „Gefährliche“ Einzelpersonen wurden in besonderen Baracken isoliert und arbeiteten in so genannten Strafkommandos. Zeugen Jehovas wurden, wenn sie im Lager ankamen, üblicherweise einem Strafkommando zugeteilt.

Juden wurden in besonderen Baracken unter mörderischen Bedingungen untergebracht. Vier Männer schliefen auf einem Strohsack, der auf dem Zementboden lag. Juden durften nicht arbeiten. Stattdessen hatte die SS „Spaß“ mit ihnen. Über Lautsprecher wurden die Gefangenen zum Strafsport befohlen. Der gefürchtete Sachsengruß bedeutete, dass wir uns mit den Händen hinter dem Kopf hinhocken mussten, wobei nur unsere Zehen, den Boden berührten. Dann kamen wie aus einem Schnellfeuergewehr die Befehle „Auf !“ „Nieder!“ „Auf!“ „Nieder!“. Ältere Juden wurden unbarmherzig geschlagen und wenn einem Mann die Kräfte versagten, musste er sich im Schnee oder im Regen hin- und herrollen. Wenn er schließlich völlig entkräftet zusammenbrach, trat ihm ein SS-Mann mit seinem Stiefel auf den Nacken. Jeder Gefangener fühlte sich so gedemütigt, dass fast gar keine Solidarität unter ihnen existierte.          

Lager Neuengamme

November 1940: Ich wurde mit 29 weiteren jungen Juden in das Lager Neuengamme geschickt. Der Lagerkommandant entschied, uns in dieselbe Baracke wie die Zeugen Jehovas, die den lila Winkel trugen, zu legen. Irgendwie hatte diese Männer trotz des Lagerlebens ihre Würde und Menschlichkeit bewahrt. Die meisten von ihnen waren schon mehrere Jahre im Lager und hatten verschiedene zusätzliche Arbeiten, für die sie verantwortlich waren. Die Sauberkeit in der Baracke der Bibelforscher, ihr Respekt und die Zusammenarbeit waren ein krasser Gegensatz zu den Lebensbedingungen, unter denen die Juden in Sachsenhausen litten. Lautes Streiten und Diebstahl waren unbekannt. Jeder hatte seine eigene Kleiematratze, die jeden Morgen mit geraden Kanten ausgerichtet oder „gebaut“  werden musste. Alles war peinlich sauber.

Vernichtungslager Auschwitz und Buna

Foto des jungen Max Liebster
Foto des jungen Max Liebster

Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in diesen zwei Lagern waren ähnlich. Die Sterberate war extrem hoch ob durch Zwangsarbeit, Mengele’s schreckliche medizinische Experimente oder die Gaskammer/das Krematorium verfahren. Eines Tages war ich so schwach, dass ich nicht mehr laufen konnte. Wenn mich nicht ein SS-Mann aus meinem Heimatort gesehen hätte, als ich von zwei Gefangenen getragen wurde, hätte ich nicht überlebt. Er befahl mir, mich am nächsten Morgen bei ihm zu melden, und gab mir Arbeit im SS Kasino, wo ich Essensreste in Töpfen, auf dem Boden oder im Abfall fand.

Lager Buchenwald

Gefangene, die Auschwitz überlebt hatten, fanden sich schließlich in einem Pferdestall in Buchenwald wieder. Typhus ging in den überfüllten Etagenbetten um und forderte viele Opfer. Zwei Gefangene, ein Bibelforscher und ein Kommunist aus meinem Heimatort holten mich aus diesem verseuchten Stall und brachten mich in das reguläre Lager.