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Lothar Hörnig (1928-2008)

Foto von Lothar Hornig
Foto von Lothar Hornig

Lothar Hörnig wurde am 22. April 1928 in Lützen bei Leipzig geboren. Er wurde durch zwei aufeinander folgende Diktaturen verfolgt, das Naziregime und das kommunistische Regime der DDR.

Seine Eltern, seit 1921 Bibelforscher, hatten in Lützen eine Bäckerei, um für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen.

Mit Beginn der NS-Diktatur 1933 musste die Familie mit sechs Kindern schwere Repressalien erleiden. So war es der Familie Hörnig, weil sie Zeugen Jehovas waren und den Hitlergruß verweigerten, verboten, öffentliche Stätten wie ein Freibad oder einen Park zu betreten. Die Bäckerei wurde boykottiert, und 1936 wurde der Familienvater Otto Hörnig verhaftet.

Über Lützen und Halle kam Otto Hörnig dann in das KZ Lichtenburg. Von dort wurde er am 22. Januar 1937 in das KZ Buchenwald gebracht. Er erhielt die Häftlingsnummer 780 und blieb dort bis zur Befreiung des KZ durch Alliierte Truppen 1945. Ein guter Freund der Familie, Otto Guse aus Großlehna, war am 11. August 1944 wegen Wehrdienstverweigerung im „Roten Ochsen“ hingerichtet worden.

Lothar Hörnig gelang es Ende 1944, gemeinsam mit seinem jüngsten Bruder, den Vater Otto Hörnig in einem Außenlager des KZ Buchenwald zu besuchen. Dieser Besuch stärkte ihn in seiner inneren Überzeugung, dem Naziregime zu widerstehen.

Als Lothar Hörnig im Dezember 1944 als 16-jähriger die Einberufung zur Wehrmacht erhielt, ging er mit diesem Papier mutig zur Gestapo nach Halle, um den Wehrdienst aus religiöser Überzeugung zu verweigern. Gottes Gebot „Du sollst nicht töten“ war Motivation für sein Handeln. Da er für einen Prozess vor dem RKG noch zu jung war, wurde er von den Nazis über Leipzig, Dresden, Prag und Brünn bis zur ungarischen Grenze gebracht. Die herannahende Front zwang die Wehrmacht zum Rückzug, und so nahm man ihn wieder mit zurück, bis er plötzlich freigelassen wurde.

Lothar Hörnig kehrte zunächst nach Lützen zurück und traf dort wieder mit seinem  Vater zusammen, der mittlerweile aus dem KZ Buchenwald zurück war. Unbeirrt setzten sie ihren Weg als Zeugen Jehovas fort.

1948 ging Lothar Hörnig in die ostdeutsche Zentrale der Zeugen Jehovas nach Magdeburg. Anfang 1950 begann er als reisender Prediger seine Tätigkeit von Halle aus bis weit nach Thüringen hinein. Am 30. August 1950 wurde er im Rahmen einer landesweiten Verhaftungswelle gegen Jehovas Zeugen in Apolda verhaftet. In einem Schauprozess am 3./4. Oktober 1950 wurde Lothar Hörnig vom OG der DDR in Berlin unter Leitung von Hilde Benjamin zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Anklage lautete damals: Spionage, Sabotage, Boykotthetze.

Neun Jahre musste er unter entsetzlichen Haftbedingungen im Zuchthaus Brandenburg, später in Leipzig und Dresden zubringen, davon viele Jahre in Einzelhaft. Er sagte: „Nur mein Glaube und geistige Übungen bewahrten mich vor dem Wahnsinn.“ Seine damalige Verlobte wartete auf ihn und wurde dann auch seine Frau, mit der er heute, gemeinsam mit einer Tochter, in Erlangen lebt.

Nach der politischen Wende in Deutschland wurde er vollumfänglich rehabilitiert. Dennoch musste er 1995 nochmals vor ein Berliner Gericht, doch diesmal als Zeuge in einem Rechtsbeugungsprozess gegen einen ehemaligen Richter des 1950er Schauprozesses. Können in einer solchen Situation nicht Rachegefühle aufkommen? Nicht bei Lothar Hörnig, denn er sagte: „Nein, Rachegefühle kenne ich nicht. Ich war jetzt als Zeuge vor dem Berliner Landgericht, und als ich von meiner Haft erzählte, bekam der einstige Richter einen Weinkrampf und sagte: ‘Das habe ich nicht gewusst. Das habe ich nicht gewollt. Bitte vergeben Sie mir‘. Da bin ich im Gerichtssaal zu ihm gegangen, habe ihm die Hand gereicht und ihm vergeben.

In der Gedenkstätte „Roter Ochse“ in Halle (Saale) berichtete Lothar Hörnig am 20. Februar 2003 aus seinem Leben. Er starb am 3. Januar 2008 in Erlangen.