Bewundernswerter Mut – Fünf Stolpersteine erinnern an Familie Malkomes

Foto der Familie Malkomes vor dem Gartenhaus in Paunsdorf, 1935 (Quelle: Privatarchiv Thomas Künz)
Familie Malkomes vor dem Gartenhaus in Paunsdorf, 1935 (Quelle: Privatarchiv Thomas Künz).

Die ersten Stolpersteine, die zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus im Leipziger Stadtteil Paunsdorf verlegt werden, sind Erinnerungszeichen für die Familie Malkomes, die als Zeugen Jehovas verfolgt worden sind. Neben den fünf Stolpersteinen für die Familie Malkomes werden am Mittwoch, 2. Oktober, in Leipzig noch 20 weitere Erinnerungszeichen an sechs weiteren Adressen in der Stadt Leipzig in Sachsen von der dortigen Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine platziert.

Bei der Verlegung der Stolpersteine in Paunsdorf in der Gutsparkstraße 20 werden auch Nachkommen der Familie dabei sein. Die Familie Malkomes, die aus den Eltern Frieda (Jg.1888) und Hermann (Jg. 1887) sowie die Kinder Anni (Jg. 1910), Albert (Jg. 1912), Irmgard (geb. Jg. 1915) und Ruth (Jg. 1924) besteht, gehört seit 1922 oder 1923 zu den Bibelforschern (ab 1931: Jehovas Zeugen). Die Mutter – eine gebürtige Kühnicke – stammt aus Paunsdorf. Ihr Ehemann ist in Kassel geboren.

Weil die Familie Malkomes insofern Widerstand leistet, dass sie trotz des Verbots ihrer Religionsgemeinschaft am 18.04.1933 in Sachsen weiter zu ihrem christlichen Glauben steht und deshalb beispielsweise den „Hitlergruß“ verweigert, wird der Eisenbahner Hermann Malkomes am 14.10.1936 in seinem Garten im Kleingartenverein „Waldessaum“ von der Gestapo verhaftet.

Unter Waffenandrohung muss sein Sohn Albert, der ein talentierter Radrennfahrer ist und im April 1931 Zweiter bei einem Rennen in Leipzig geworden war, die Beamten dorthin führen. Seine letzten Momente in Freiheit erlebt Hermann Malkomes somit in seinem geliebten Kleingarten in Paunsdorf. In Briefen aus dem Gefängnis in Leipzig sendet er seiner Familie zum Trost ein selbst verfasstes Garten-Gedicht.

Foto von Hermann Malkomes, 1936 (Quelle: Privatarchiv Thomas Kuenz).
Hermann Malkomes, 1936 (Quelle: Privatarchiv Thomas Kuenz).

Als sich Hermann Malkomes nach zuvor sechs Jahren im KZ Buchenwald im Februar 1944 im KZ Majdanek befindet, drehen sich seine Gedanken um seine geliebte Frau und seine vier Kinder, aber auch weiter unter anderem um seinen Garten. Am 29.05.1944 stirbt Hermann Malkomes „bis auf die Knochen abgemagert“ in Majdanek, im Alter von 56 Jahren und sechs Monaten, nach einer Haftzeit von sieben Jahren, sieben Monaten und 15 Tagen.

„Das Stolperstein-Projekt war von Beginn an für alle Opfergruppen gedacht“, sagte Stolperstein-Künstler und -Initiator Günter Demnig bei einer Verlegung im März 2023 in Leipzig für die beiden leiblichen Brüder Axel und Walter Axe. „Jehovas Zeugen gehörten mit zu den ersten Opfern der Nazis. Ich finde es wichtig, dass auch an sie erinnert wird.“

Neben Hermann Malkomes verspüren indes auch alle weiteren Familienmitglieder zwischen 1933 und 1945 heftigen Verfolgungsdruck – selbst die jüngste Tochter in der Schule in Paunsdorf, weil sie beispielsweise bei Fahnen-Apellen aus religiös motivierten Gewissensgründen den „deutschen Gruß“ und das Singen von Nazi-Liedern verweigert. Die Lehrer kontrollieren ihr Pausenbrot. Es soll ein Grund gesucht werden, um das Sorgerecht für sie entziehen zu können.

Mit ihrem 14. Geburtstag steht für die jüngste Tochter eigentlich die Zwangsmitgliedschaft im „Bund Deutscher Mädel“ (BDM) an. „Mama gab mir einen verschlossenen Brief mit, den ich dem Vertrauensarzt geben sollte“, erinnert sich die jüngste Tochter später. „In dem Brief stand, dass Vater im KZ ist und dass wir als Staatsfeinde, weil wir Bibelforscher sind, bezeichnet werden.“

Der Amtsarzt habe den Brief gelesen und sie für untauglich erklärt. Später macht Frieda Malkomes den KZ-Tod ihres Mannes bewusst öffentlich, indem sie über eine Zeitungsanzeige über die Urnenbeisetzung am 12.08.1944 auf dem Friedhof in Paunsdorf informiert. Frieda Malkomes erklärt: „Ich habe mir die Urne schicken lassen mit der Absicht, dass auch andere erfahren, dass mein Mann umgebracht worden ist.“

Am Beerdigungstag, an einem Samstag, läuft die Familie kohlrabenschwarz gekleidet mitten auf der Straße von ihrer Wohnung in der Gutsparkstraße bis zum Friedhof, wo mehrere Gestapobeamte die Beerdigung überwachen. Der bestellte freie Grabredner erscheint vor Angst nicht. Ein als Sänger engagierter Mann spricht stattdessen einige Wort. Tochter Ruth sagt rückblickend: „Den Mut meiner Mutter habe ich sehr bewundert.“

Ein kurzes Biogramm über die Familie Malkomes sowie eine Übersicht über die weiteren Stolperstein-Verlegungen in Leipzig am 2. Oktober 2024 ist online unter https://www.stolpersteine-leipzig.de/ zu finden.