Der gebürtige Jude Max Liebster wuchs in den dreißiger Jahren in der Nähe von Mannheim auf. Er erzählt: Mein Vater war ein einfacher Schuster, obwohl Hitler behauptete, alle Juden seien reiche Profitmacher. Doch diese NS-Propaganda brachte die Nachbarn bald gegen uns auf. Auf verbale folgten tätliche Angriffe. Im Jahre 1939 wurde ich von der Gestapo festgenommen und mein Eigentum wurde konfisziert. Vom Januar 1940 bis Mai 1945 kämpfte ich in fünf verschiedenen KZ´s ums Überleben: Sachsenhausen, Neuengamme, Auschwitz, Buna und Buchenwald.
Auch meinen Vater hatte man ins KZ Sachsenhausen gebracht, wo ich ihn kurz vor seinem Tod fand. Ich selbst brachte seinen Leichnam zum Krematorium, wo Leichen zum Verbrennen aufgestapelt wurden. Acht meiner Familienangehörigen kamen in Lagern ums Leben.
Ich denke, ich hatte Grund genug, sowohl die SS als auch die Kapo´s zu hassen – die Kapo´s waren Häftlinge, die mit der SS kooperierten. Doch während der Gefangenschaft lernte ich, daß Liebe stärker ist als Haß. Ernst Wauer, ein Zeuge Jehovas, den ich im KZ Neuengamme kennenlernte, riet mir, mich in der Gesinnung Christi zu üben. Über Christus sagt die Bibel : ´Als er beschimpft wurde, gab er nicht schimpfend zurück . . .´ Genau das habe ich versucht, die Rache Gott zu überlassen. Die Jahre in den Lagern lehrten mich, daß Menschen oft aus Unwissenheit Böses tun. Auch nicht alle SS-Männer waren schlecht: Einer rettete mir einmal das Leben; ich war sehr krank und sollte am nächsten Tag in die Gaskammern von Auschwitz geschickt werden, aber besagter SS-Mann besorgte mir Arbeit in der Kantine, wo ich mich ausruhen konnte und schließlich auch erholte.
Nur Liebe und Mitleid ermöglichten es mir, diese schrecklichen Umstände zu verkraften. Ich kann nicht sagen, daß ich unversehrt davongekommen bin, aber meine emotionalen Narben sind minimal.