Sechs Stolpersteine für eine mutige Familie aus Dresden

Familie Hempel sitzt mit Enkel Hans im Wohnzimmer und hört Walter Hempel zu, der aus der Bibel vorliest.
Walter Hempel liest seiner Frau Helene, seiner Tochter Hildegard und seinem Enkel Hans aus der Bibel vor (Foto: Privat)

Walter Hempel, der von der NS-Diktatur zum Tode und in der DDR zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde, ist der 450. Zeuge Jehovas im deutschsprachigem Raum, an den ein Stolperstein erinnern wird. Der Schneidermeister Walter Hempel wurde 1895 in Dresden geboren. Er diente im Ersten Weltkrieg als Soldat. Mit seiner Frau Helene und zwei Töchtern wohnte er in der Mathildenstraße 20. In den 1920er Jahren engagierte er sich zunächst für die SPD und ließ sich dann 1928 mit seiner Frau als Zeuge Jehovas taufen. In Dresden befand sich damals die größte Ortsgemeinde der Zeugen Jehovas im Deutschen Reich, die nach der Machtübernahme durch die NS am 18.04.1933 in Sachsen verboten wurde.

Im Januar 1934 wurde Walter Hempel das erste Mal in Schutzhaft genommen und im Dezember 1935 vom Sondergericht in Freiberg zu einem Jahr Haft und im Juni 1936 nach weniger als einem Monat in Freiheit zu weiteren 18 Monaten Haft verurteilt. In der Zwischenzeit beteiligte sich seine Frau Helene mit 3.500 weiteren Zeugen Jehovas am 12. Dezember 1936 an der heimlichen Verteilung von 100.000 Flugblättern, einer der größten öffentlichen Protesthandlungen in der NS-Diktatur. Vier Tage später wurde sie für 13 Monate im Justizkomplex Münchner Platz in Dresden inhaftiert.

Nach ihrer Freilassung zog das Ehepaar in die Schäferstraße 16 und führte in ihrer Wohnung illegale Bibelbesprechungen durch, bei denen Walter Hempel auch mehrere Personen taufte. Er beschaffte Druckmaterial für die verbotenen Schriften der Religionsgemeinschaft und verteilte diese. Bei einer Kurierfahrt in das besetzte Sudetenland wurde das Ehepaar am 16. Juli 1943 erneut festgenommen. Mit 200 weiteren Zeugen Jehovas überwiegend aus Sachsen und Bayern wurden sie in München inhaftiert und in einem Massenprozess vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Am 13. Dezember 1944 verurteilte der Volksgerichtshof Walter Hempel in Würzburg zum Tode. Mehrfach verhinderten die Kriegsereignisse die Vollstreckung des Urteils an verschiedenen Richtstätten. Auf einem Transport zum KZ Dachau wurde er schließlich im Mai 1945 von amerikanischen Truppen befreit. Auch seine Frau Helene Hempel wurde noch wenige Tage vor Kriegsende in München-Stadelheim zu einer Haftstrafe verurteilt.

Hildegard, die Tochter des Ehepaars Hempel hatte 1935 den Tischler Fritz Weigoldt geheiratet, der sich im Folgejahr ebenfalls an der Flugblattaktion beteiligt hatte. Weil er mehrere Ausgaben der illegalen Zeitschrift der Wachtturm an seinen Freund Walter Schäfer weitergegeben hatte, wurde er im März 1937 von der Gestapo inhaftiert und Anfang Juni in Polizeihaft zu Tode gefoltert. Er hinterließ seinen einjährigen Sohn Hans. Hildegard Weigoldt zeigte daraufhin einen Beamten an und wurde deswegen noch im Dezember vom Sondergericht Freiberg wegen Beamtenbeleidigung zu einer viermonatigen Haft verurteilt.

Portraits von Hildegard Schäfer und ihrem Sohn Hans 1946
Hildegard Schäfer (hier mit ihrem Sohn Hans) verlor durch die NS-Diktatur zweimal hintereinander einen Ehemann und verbrachte selbst fast zwei Jahre in Haft (Foto: Privat)

Im Januar 1942 heirate Hildegard dann Walter Schäfer, der ebenfalls wegen Beteiligung an der Flugblattaktion bereits zuvor 15 Monate Haft in Bautzen verbüßt hatte. Vier Monate nach der Hochzeit wurde Walter Schäfer zum Kriegsdienst eingezogen, den er verweigerte. Daraufhin verurteilte ihn das Reichskriegsgericht in Berlin am 21. August 1942 zum Tode. Das Todesurteil wurde am 26. September in Brandenburg vollstreckt, drei Monate nachdem Hildegard Schäfer ihre gemeinsame Tochter zur Welt gebracht hatte.

Bereits im November des nächsten Jahres wurde Hildegard Schäfer, Mutter zweier kleiner Kinder dann selbst verhaftet, in Dresden in Einzelhaft gesperrt und wie auch ihre Eltern im Massenprozess mit 200 Zeugen Jehovas angeklagt. Die Anklageschrift warf ihr vor, in ihrer Wohnung „Bibellesekränzchen“ abgehalten, Spendengelder und einen „zur Vervielfältigung der Bibelforscherschriften bestimmten Abziehapparat“ in Verwahrung gehabt und „im festen Glauben an den Herrgott“ selbst illegale Schriften gelesen und weitergegeben zu haben. Dies wertete der Volksgerichtshof in Potsdam am 12. September 1944 als Wehrkraftzersetzung und verurteilte sie zu sieben Jahren Haft.

Hans Weigoldt als Kleinkind mit Spielzeug im Garten.
Hans Weigoldt verlor erst seinen Vater, dann seinen Stiefvater durch die NS-Diktatur. Als auch noch seine Mutter inhaftiert wurde, musste er ohne Eltern aufwachsen (Foto: Privat)

Nach dem Krieg wurden Hildegard Schäfer und ihre Eltern Walter und Helene Hempel zunächst als „Opfer des Faschismus“ anerkannt. Nachdem Jehovas Zeugen im August 1950 von der DDR erneut verboten wurden, verloren sie diesen Status noch im gleichen Jahr. Walter Hempel wurde erneut angeklagt und in einem Schauprozess am 25. November 1950 von der Großen Strafkammer des Landgerichts Dresden zu zehn Jahren Haft verurteilt. Seine Familie floh daraufhin nach München. Nach seiner Haftverbüßung folgte Walter Hempel ihnen.

Fritz Weigoldt mit einer Ausgabe der von Jehovas Zeugen herausgegebenen Zeitschrift „Das Goldene Zeitalter“.
Fritz Weigoldt mit einer Ausgabe der von Jehovas Zeugen herausgegebenen Zeitschrift „Das Goldene Zeitalter“ (Foto: Privat)

Am Dienstag, den 6. Mai 2025 um 13:00 Uhr werden in Dresden zum Gedenken an Walter und Helene Hempel an der Grünfläche gegenüber der Schäferstraße 17 zwei Stolpersteine verlegt. Um 13:45 Uhr werden dann in der Freiberger Straße 6 vier weitere Stolpersteine für Hildegard und Walter Schäfer, sowie für Fritz und Hans Weigoldt verlegt.

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