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Gedenkstunde anlässlich des 90. Jahrestags des Verbots der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas

24. Juni 2023, 12 Uhr, Berlin, Tiergarten, Straße des 17. Juni / am Goldfischteich

Am 90. Jahrestag des Verbots der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Preußen am 24. Juni 1933, das in seinen Auswirkungen für das ganze nationalsozialistische Deutschland entscheidend war, lädt die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Kooperation mit der Arnold-Liebster-Stiftung zu einer öffentlichen Gedenkstunde am Ort des geplanten Denkmals im Berliner Tiergarten, Straße des 17. Juni / am Goldfischteich, ein.

Am Goldfischteich fand am 22. August 1936 eine Verhaftungsaktion der Gestapo statt. Im Zuge einer Verhaftungswelle 1936 wurden führende Zeugen Jehovas in ganz Deutschland inhaftiert. Mindestens 17 der dabei Verhafteten starben an den Folgen von Folter.

Die Gedenkstunde erinnert an die Verfolgung und den Widerstand der Zeugen Jehovas. Im Mittelpunkt steht eine Lesung aus Texten über die und von im Nationalsozialismus verfolgten Zeuginnen und Zeugen Jehovas. Es lesen die Schauspielerinnen Lisa Altenpohl, Greta Ipfelkofer und Varya Popovkina.


Programm

Begrüßung
Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Lesung aus Texten über und von im Nationalsozialismus verfolgten Zeugen Jehovas
Lisa Altenpohl, Greta Ipfelkofer und Varya Popovkina

Musikalisches Rahmenprogramm
Andreas Vogelsang, Trompete

Veranstaltungsort: Berlin, Tiergarten, Straße des 17. Juni / am Goldfischteich, am Ort des geplanten Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas; genauer Standort

Veranstalter: Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Kooperationspartner: Arnold-Liebster-Stiftung

Dauer: ca. 45 Minuten

Hinweis: Die Veranstaltung wird aufgenommen und zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen einer Dokumentation im Internet zugänglich sein. Wenn Sie an der Zeremonie teilnehmen, stimmen Sie zu, dass Foto- und Filmaufnahmen von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der Ständigen Konferenz der NS-Gedenkorte im Berliner Raum veröffentlicht werden dürfen.


Hintergrund:

Die christliche Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas, die sich auch Ernste Bibelforscher nannte, wurde seit 1933 in Deutschland und ab 1938 auch im nationalsozialistisch beherrschten Europa systematisch verfolgt.

Fast 14.000 Zeugen Jehovas – Frauen und Männer – wurden inhaftiert, darunter 4.200 in Konzentrationslagern, wo sie mit einem »lila Winkel« stigmatisiert wurden. Mindestens 1.750 Zeugen Jehovas verloren ihr Leben. Unter ihnen ist die größte Gruppe von Kriegsdienstverweigerern im Nationalsozialismus. Ihr Schicksal trug zur Verankerung des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung im Grundgesetz bei.

Auch im Kommunismus und in vielen autoritären Staaten wurden Zeugen Jehovas im 20. Jahrhundert in Europa verfolgt, wobei auch NS-Opfer erneut verhaftet und drangsaliert wurden. Noch heute sind sie – etwa in der Russischen Föderation – massiver Repression ausgesetzt.

Simone Arnold (*1930) und ihre Eltern, Emma und Adolphe, treten 1937/38 den Zeugen Jehovas bei. Im September 1941 verhaftet die Gestapo den Vater. Er überlebt die Konzentrationslager Dachau und Mauthausen. Weil sie sich in der Schule wiederholt weigert, den Hitlergruß auszuführen, wird Simone ab April 1943 in einer Erziehungsanstalt in Konstanz eingesperrt. Simone und ihre in Konzentrationslagern inhaftierte Mutter kommen im April 1945 frei. 1956 heiratet Simone den Holocaustüberlebenden Max Liebster.
Rund 2.800 deutsche Zeuginnen und Zeugen Jehovas sowie 1.400 aus den besetzen Ländern wurden als »Schutzhäftlinge« der Gestapo in die Konzentrationslager deportiert. Im KZ Ravensbrück waren bis zur Befreiung 782 weibliche und 218 männliche Bibelforscher inhaftiert und mussten Zwangsarbeit leisten.
Gerhard Liebold (*1922), seine Eltern und beiden Geschwister sind seit Beginn der 1930er Jahre Zeugen Jehovas. Sein Vater Kurt verweigert den Wehrdienst und wird im Mai 1941 hingerichtet. Gerhard stirbt wegen »Zersetzung der Wehrkraft« am 6. Mai 1943 im Zuchthaus Brandenburg- Görden durch das Fallbeil.

Am 11. Mai 2023 haben sich im Deutschen Bundestag die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP mit Unterstützung der Fraktion Die Linke für ein Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas unter dem Dach der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas ausgesprochen (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw19-de-mahnmal-zeugen-jehovas-945488). Nach dem Willen der vier Fraktionen soll sich die Bundesregierung unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen für ein Denkmal für die verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas in Europa am historischen Ort im Berliner Tiergarten einsetzen und über die Verfolgung dieser Opfergruppe informieren. Das Mahnmal soll aus einer Gedenkskulptur und Informationstafeln bestehen. Die Realisierung des Mahnmals soll in Abstimmung mit dem Land Berlin erfolgen, mit der Planung und Umsetzung soll die Bundesstiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas beauftragt werden. Darüber hinaus soll die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um Defizite in der Aufarbeitung der Geschichte, der öffentlichen Anerkennung und der wissenschaftlichen Erforschung der verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas in Europa zu beseitigen. 

Eine Expertenanhörung im Kulturausschuss des Deutschen Bundestages am 22. Mai 2023, an der Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal, ihr Beiratsvorsitzender Prof. Dr. Wolfgang Benz sowie die Historiker Prof. Dr. Detlef Garbe und Dr. Tim B. Müller teilnahmen, bekräftigte den Willen des Parlaments, dieses Denkmal zügig zu errichten (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw21-pa-kultur-mahnmal-949012).

Quelle: https://www.stiftung-denkmal.de/aktuelles/gedenkstunde-anlaesslich-des-90-jahrestag-des-verbots-der-glaubensgemeinschaft-der-zeugen-jehovas/