Grußwort von Max Liebster und Simone Arnold Liebster anlässlich der Sonderausstellung “Lila Winkel in Ravensbrück – Zeugen Jehovas (Bibelforscher) im Konzentrationslager:
“Wir erachten es als ein Vorrecht, sie schriftlich begrüßen zu dürfen. Jahrelang durften wir als Zeitzeugen des Holocaust und der Verfolgung tätig sein, aber jetzt bringt das Alter Einschränkungen mit sich.
Wir möchten auch dem Präsidenten der Arnold-Liebster-Stiftung, Herrn Klages, unser wertvoller Mitarbeiter, für seinen Einsatz herzlich danken.
Vor über zehn Jahren durften wir an diesem Ort anlässlich einer Videopremiere unseren Lebensgang durch die Nacht der Verfolgung erzählen. Seither sind viele Stimmen verstummt – und wie wird es wohl in zehn Jahren sein? Um so wichtiger ist es heute, den lebenden Stimmen eine Tribüne zu geben – diese Zeugnisse sind unersetzlich. Daher möchten wir den wertvollen Einsatz der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück besonders hervorheben und dafür danken! Das Verdrängen der Geschehnisse von damals wird seit der Jahrhundertwende immer stärker. Um so wichtiger ist es, Dokumente und Aussagen von Zeitzeugen zu bewahren!
Historiker können dadurch zwei große Lektionen dieser Zeit an künftige Generationen weitergeben.
Zuerst die mahnende Stimme einer Warnung: Wo die geringste Intoleranz aufkommt, auch auf religiösem Gebiet, da wird die Grundlage für eine Spirale des Verderbens gelegt, die durch das Versagen des individuelles Gewissens, oder weil es Unrecht verdrängt, Macht erlangt. Zuerst stigmatisiert man, dann wird ausgeschlossen, schließlich verfolgt man und kommt zu einer kaltblütigen Schlussfolgerung: Man kann Ausrottung legalisieren.
Es gibt aber auch eine positive Lehre. Sie beweist, dass es einen Ausweg, einen edlen Weg gegen diese Spirale gibt – nämlich den Widerstand des Gewissens. Während dieser finsteren Zeit haben wir erlebt, wie trotz allem Menschen die Würde und die Rechte anderer, auch von Gefangenen, aufrecht erhalten haben. Unter ihnen ist die Gruppe der Zeugen Jehovas, die den lila Häftlingswinkel trugen. Ihre Gottergebenheit und ihr christlich ausgebildetes Gewissen gab ihnen die Kraft, einen ganz besonderen Widerstand auf sich zu nehmen. Ihre Waffe war ein unerschütterliches NEIN.
Nein zur Menschenverehrung!
Nein zur Intoleranz!
Nein zur Gewalttätigkeit, Teilnahme an Kriegsrüstung und an Krieg!
Ihre Standhaftigkeit brachte viele in die Konzentrationslager und Gefängnisse, und auch dort haben sie weiter Nein gesagt und es manchmal mit dem Leben bezahlt.
Die Stimme dieser Zeugen ist ein machtvoller Beweis, dass christliche Werte über das schlimmste Übel siegen können!
Mögen diese zwei Lektionen für viele eine Hilfe sein, nie den Kampf für Frieden und Nächstenliebe aufzugeben!”
Max Liebster und Simone Arnold Liebster
Aix Les Bains, Februar 2007
